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Pastor Neikes: Pfingstsonntag

Das Pfingstereignis (Apostelgeschichte 2, 1-13)

 

1 Als der Tag des Pfingstfestes gekommen war, waren alle zusammen am selben Ort. 2 Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. 3 Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. 4 Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. 5 In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. 6 Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. 7 Sie waren fassungslos vor Staunen und sagten: Seht! Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? 8 Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: 9 Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadokien, von Pontus und der Provinz Asien, 10 von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Kyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, 11 Juden und Proselyten, Kreter und Araber - wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden. 12 Alle gerieten außer sich und waren ratlos. Die einen sagten zueinander: Was hat das zu bedeuten? 13 Andere aber spotteten: Sie sind vom süßen Wein betrunken. 


Es waren Tage mit Sonne. In den Straßen von Tel Aviv waren die Cafés wieder geöffnet. Menschen füllten die Geschäfte, man konnte wieder zum Strand – allgemeines Aufatmen. Die Pandemie schien im Griff zu sein. Dann kam es während des Ramadans zu Provokationen. Erst flogen Steine, dann Molotowcocktails und schließlich fielen Bomben auf Israel und auf den Gaza. Menschen wurden verletzt und getötet, Häuser zerstört. Erschütternd ist die Gewalt auch innerhalb der israelischen Gesellschaft. In verschiedenen Orten, wo Araber und Juden bislang mehr oder weniger friedlich zusammengelebt hatten, eskalierte die Gewalt. Es kam zu Übergriffen auf Synagogen, öffentliche Einrichtungen und Geschäften. Menschen wurden brutal zusammengeschlagen. Auf beiden Seiten griffen Gewaltbereite zu den Waffen.

 

In einem Brief, den ich in diesen Tagen aus Israel erhalten habe, heißt es: “Wir empfinden eine große Traurigkeit und Scham: Über die scheinbar so sinnlose Gewalt und den politischen Zynismus der beteiligten Parteien in diesem Konflikt, das Hochkochen eines verdrängten Bodensatzes von Hass, den Vandalismus und das Mob-Verhalten von verschiedenen Gruppen. Die Auflösung von sozialem Anstand und gesellschaftlicher Kohäsion (Zusammenhalt/Nei)”.

 

Das Coronavirus wurde weltweit in den Labors analysiert und erforscht. Es war nur eine Frage der Zeit, dass ein geeigneter Impfstoff gefunden werden konnte. Mit Zuversicht können wir in den Sommer gehen in der der Hoffnung, dass der Erreger besiegt ist und wir zu unserem alten Leben zurückkehren können. Kaum aber scheint das eine Virus eingedämmt zu sein, entflammt eine weitere lebensbedrohliche Gefahr neu auf: Hass und Unversöhnlichkeit. Die Gewalt des Menschen gegen den Menschen.

 

Während wir das eine Virus bekämpfen und besiegen können, scheint das mit Hass und Unversöhnlichkeit nicht möglich zu sein. Was das Virus nicht geschafft hat, das erledigen wir selber: Wir töten uns gegenseitig.

 

Zu einer Zeit, da uns die Fragen nach Impfstoff und Alltagsleben unter Corona- Bedingungen beschäftigen, scheinen wir die anhaltenden Kriege etwa im Jemen und in Syrien vergessen zu haben. Mit Sorge schaue ich nach Afghanistan. Wie wird sich nach dem Abzug der amerikanischen und anderen NATO-Truppen die Gewalt in einem Land entwickeln? Fast täglich kommt es hier zu Bombenattentaten, bei denen unschuldige Zivilisten, darunter immer wieder viele Kinder, schwer verletzt werden oder zu Tode kommen. Interessiert uns noch das Schicksal der Uiguren? Deren Diskriminierung und Verfolgung in China nennen manche politisch Verantwortliche einen Genozid. Wie ist das in Myanmar mit den Protesten gegen den Militärputsch weitergegangen?

 

Der Blick auf die weltweite Gewalt von Menschen gegen Menschen lässt mich auf den Nahostkonflikt mit dieser Frage schauen: Der Krieg zwischen Israel und der Hamas ist doch nur ein Krieg wie viele andere. Warum erschüttert mich dieser Krieg in besonderem Maße?

  • Als Deutscher frage ich mich immer wieder, wie die Situation in Israel und Palästina heute aussähe, hätte es die Schoah also den nationalsozialistischen Völkermord an den Juden nicht gegeben? „Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“ So fasst der jüdische Schriftsteller Primo Levi, ein Überlebender des Lagers Auschwitz, diese Bedrohung zusammen. Die Vergangenheit wird zur latenten Gefahr. Wie sähe es aus, hätte es diese Vergangenheit nicht gegeben?
  • Israel und Palästina nennen wir auch das Heilige Land. Jerusalem ist ein Ort von unglaublicher symbolischer Dichte. Dies gilt sowohl für das Judentum als auch für das Christentum und den Islam. Hier finden sich die wichtigen Heiligtümer wie die Westmauer des Tempels. Nicht nur Jüdinnen und Juden kommen, um zu beten. Auf kleinen Zetteln schreiben sie ihre Gebete. Mit den Gebeten, die in die Zwischenräume der alten Mauer gesteckt werden, vertrauen sie sich der Treue und Heilszusage Gottes an. Die Al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg ist eines der wichtigsten Heiligtümer des Islam. Jerusalem ist der Ort, an dem Jesus gestorben und auferstanden ist.
  •  Alle drei Religionen verbindet ein gemeinsamer Ursprung in der Geschichte Abrahams und Sarahs. Alle drei verbindet ein ähnliches Ethos, die sogenannte „goldene Regel der Gegenseitigkeit“, die Jesus in der Bergpredigt folgendermaßen zusammenfasst „Behandelt die Menschen stets so, wie ihr von ihnen behandelt werden möchtet. Denn das ist die Botschaft des Gesetzes und der Propheten.“ (Mt 7,12)

An diesem Sonntag feiern wir das Pfingstfest. Vielleicht schweigen die Waffen zwischen Israel und der Hamas. Meine Betroffenheit hängt mit Jerusalem und diesem Fest zusammen. Pfingsten ist die Verheißung einer anderen Weltordnung. Jesus nannte sie das Reich Gottes. Von Jerusalem aus sollte der Geist des Friedens seinen Weg in die Welt finden.

 

Die Jüngerinnen und Jünger Jesu waren zusammen an dem Ort, an dem sie mit Jesus das letzte Abendmahl gefeiert haben. Mit Jesus aus Nazareth haben sie einen Gott erfahren, der den Menschen zugewandt ist. Ein Gott, der die Menschen zusammengeführt hat. Stigmatisierung und Ausgrenzung ließ er nicht gelten. Die Versöhnung untereinander und mit Gott war ihm ein wichtiges Anliegen. Selbst den Tod wollte er nicht gelten lassen.

 

Pfingsten ist die Frohe Botschaft, dass Gott uns Menschen zugewandt bleiben will. Der Geist, der in Jesus lebendig und am Werk war, soll weiter erfahrbar sein. Er kann sich aber nicht anders bemerkbar machen als durch Menschen, die wie Jesus und auch wie die Jüngerinnen und Jünger vom Pfingsttag offen sind für diesen Geist, aus diesem Geist heraus leben. Wenn der Vergleich erlaubt ist: So wie ein Virus einen Wirt braucht, um sein Werk zu tun, so braucht der Geist Menschen, die bereit sind, ihn aufzunehmen. Gott hat keine andere Möglichkeit, als durch uns in dieser Welt lebendig und erfahrbar zu sein.

 

Gegen Hass gibt es keinen Impfstoff, aber ein Leben aus Heiligem Geist, das ansteckend ist.


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