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Pastor Neikes: Impuls zum 6. Sonntag im JK - 14.02.2021

Aus dem Markusevangelium (1,40-45)

 

40 Ein Aussätziger kam zu Jesus und bat ihn um Hilfe; er fiel vor ihm auf die Knie und sagte: Wenn du willst, kannst du mich rein machen. 41 Jesus hatte Mitleid mit ihm; er streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will - werde rein!

42 Sogleich verschwand der Aussatz und der Mann war rein. 

43 Jesus schickte ihn weg, wies ihn streng an

44 und sagte zu ihm: Sieh, dass du niemandem etwas sagst, sondern geh, zeig dich dem Priester und bring für deine Reinigung dar, was Mose festgesetzt hat - ihnen zum Zeugnis.

45 Der Mann aber ging weg und verkündete bei jeder Gelegenheit, was geschehen war; er verbreitete die Geschichte, so dass sich Jesus in keiner Stadt mehr zeigen konnte; er hielt sich nur noch an einsamen Orten auf. Dennoch kamen die Leute von überallher zu ihm.

 



Die Kanzlerin hat gesprochen. Der Lockdown wird verlängert. Das neue Zieldatum ist der 7. März. Bis auf Weiteres werden wir also mit den bekannten Einschränkungen leben müssen. Das heißt: Weiter die Nerven behalten und diszipliniert bleiben. Das bedeutet wenige Begegnungen, wenige Kontakte, wenige Berührungen. Aber gerade das wird von vielen in den letzten Monaten vermisst. Wann dürfen wir uns wieder uneingeschränkt besuchen, wann können wir wieder mit Freunden Essen gehen, wann dürfen wir uns wieder umarmen, uns küssen, streicheln? Diese Gesten von Nähe und Zärtlichkeit sind in den letzten Monaten fast völlig aus unserem Alltag verschwunden.

 

In einem Beitrag auf ARTE über Berührung sagt ein Biochemiker: „Durch Berührungsreize verändert sich die Biochemie unseres Gehirns auf dramatische und positive Art und Weise.“ (1)

 

Will heißen: Eine Berührung vermag unglaublich viel mehr auszudrücken, als wir es je mit Worten könnten. Eine Umarmung kann trösten, ermutigen oder Freude teilen. Sie kann die Welt eines weinenden Kindes wieder in Ordnung bringen. Wir halten die Hand auf die Stirn eines Kranken, um ihn zu beruhigen. Eine Berührung kann einen Menschen selbst dann noch erreichen, wenn er für unsere Wahrnehmung nicht mehr bei Bewusstsein ist. Wir halten die Hand eines sterbenden Menschen und sagen ihm: "Du bist jetzt nicht allein." Das Segenskreuz mit dem Daumen auf die Stirn gezeichnet, macht den Segen Gottes physisch erfahrbar.

 

Berührungen sind lebensnotwendig. Sie fehlen uns.

 

Zu einer Zeit, in der man sich vor Ansteckung nicht anders zu schützen wusste, als die Kranken auszuschließen, kam die Diagnose Lepra einem Todesurteil gleich. Von Weitem mussten sich die Infizierten zu erkennen geben, damit es nicht zu Begegnungen kam. Sie mussten eingerissene Kleider tragen und das Kopfhaar ungepflegt lassen; die Männer hatten den Bart zu verhüllen und auszurufen: Unrein! Unrein! (Siehe unten aus Lev. 13, die heutige 1. Lesung.) Lebendig galten sie den Menschen schon als tot.

 

Es ereignet sich etwas Ungeheures. Ein Aussätziger lässt alle Gebote und Verbote hinter sich, nähert sich Jesus und fällt vor ihm zu Boden. Er ruft nicht „Unrein! Unrein!“ (Lev 13,45), sondern „Wenn Du willst, kannst Du machen, dass ich rein werde!“ (Mk1,40). Unterwürfigkeit, Verzweiflung und Hoffnung fallen hier in eins. Es geht um sein Leben. Um die einmalige Chance, wieder leben zu können.

 

Und dann geschieht es: Jesus berührt den Aussätzigen! „Durch Berührungsreize verändert sich die Biochemie unseres Gehirns auf dramatische und positive Art und Weise.“

 

Wird er, der Unberührbare mit einer Berührung gerechnet haben? Wird er zurückgeschreckt sein, denn er wusste um die Vorschriften? Hatte er Angst oder bekam er einen Schrecken, weil hier etwas Verbotenes geschah? Hat er eine Gänsehaut bekommen oder lief ein wohliger Schauer über seinen Rücken? Vielleicht hat er sich auch in die Berührung hineingelehnt, hat er es genossen, dass ihn da jemand seit wie lange Zeit auch immer berührt.

 

„Jesus hatte Mitleid mit ihm; er streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will – werde rein!“ (Mk1,41)

 

Für mich ist dies das eigentliche Wunder. Da ist jemand, der schaut nicht weg, verschanzt sich nicht hinter Vorschriften und Gebräuche. Jesus hatte Mitleid.

 

Im Griechischen, das Evangelium ist ja ursprünglich in griechischer Sprache verfasst, hat das Wort Mitleid noch einen intensiveren Klang. Es heißt „splangnízomai“ und ist eng verwandt mit dem Wort „Eingeweide“ (splangna). Man könnte also auch sagen, die Begegnung mit dem Aussätzigen ist Jesus „auf den Magen geschlagen“. Das ist mehr als ein oberflächliches oder flüchtiges Gefühl. Jesus reagiert auf das Leid körperlich. Er hat nicht nur keine Berührungsangst, er hat auch keine Angst, das Leid des anderen an sich heranzulassen.

 

„Das Reich Gottes ist nahe!“ (Mk1,14). So lautet die Botschaft, die Jesus am See Genezareth verkündet. Mit seinem Wirken zeigt er, was dieses Reich konkret bedeutet. Gott lässt das Leid der Menschen nicht gleichgültig. Sein Erbarmen wird hautnah erfahrbar. Jesus erinnert daran, dass Gott nicht über uns hinwegsieht, sondern einen Blick für die Menschen in Not hat. Die Befreiungsgeschichte des Volkes Israel aus der Knechtschaft Ägyptens beginnt mit dem Wort Gottes an Mose: „Der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen. Ich kenne sein Leid.“ (Ex 3,7) Das Reich Gottes ist nahe. Gott ist nahe. Unser Leid rührt ihn an, und seine Berührung heilt uns.

 

Da ist jemand, der schaut nicht weg, verschanzt sich nicht hinter Vorschriften und Gebräuche.

 

Natürlich möchte ich jetzt nicht zum Ungehorsam gegen die weiteren Lockdownvorschriften aufrufen. Es gibt ja einen wesentlichen Unterschied zwischen den Aussätzigen zur Zeit Jesu, die ihrem Schicksal überlassen wurden, und der hygienisch notwendigen, aber zeitlich begrenzten Distanz während der Pandemie. In vieler Hinsicht aber stimmt mich diese Zeit nachdenklich. Da ist die Frage, wie unser Lebensstil die weltweite Ausbreitung des Virus unterstützt und beschleunigt hat. Was ist wesentlich für mein Leben und worauf könnte ich getrost verzichten. In der nächsten Woche beginnt die Fastenzeit. Das ist eine gute Gelegenheit, einmal darüber nachzudenken, ob es irgendetwas gibt, worauf ich nach dem Lockdown oder später achten möchte.

 

Jetzt, wo wir Berührungen und Nähe vermeiden sollen, fällt uns auf, wie wichtig sie doch für unser Leben und für unsere Gemeinschaft sind und wie Berührungen uns helfen können, wie Jesus vom anderen angerührt zu sein.

 

 

(1) Auf Arte gibt es in den letzten Februartagen eine Themenwoche „Berührungen“


6. Sonntag Lesejahr B, 1. Lesung: Aus dem Buch Levitikus 13, 1–2.43ac.44ab.45–46

 

1Der Herr sprach zu Mose und Aaron: 2Wenn sich auf der Haut eines Menschen eine Schwellung, ein Ausschlag oder ein heller Fleck bildet und auf der Haut zu einem Anzeichen von Aussatz wird, soll man ihn zum Priester Aaron oder zu einem seiner Söhne, den Priestern, führen. 43acDer Priester soll ihn untersuchen. Stellt er eine hellrote Aussatzschwellung fest, die wie Hautaussatz aussieht, 44ab so ist der Mensch aussätzig; er ist unrein. Der Priester muss ihn für unrein erklären. 45Der Aussätzige mit dem Anzeichen soll eingerissene Kleider tragen und das Kopfhaar ungekämmt lassen; er soll den Bart verhüllen und ausrufen: Unrein! Unrein! 46Solange das Anzeichen an ihm besteht, bleibt er unrein; er ist unrein. Er soll abgesondert wohnen, außerhalb des Lagers soll er sich aufhalten.


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6. So Jk Lj B 14. 02. 2021.pdf
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