Aus dem Johannesevangelium (Joh 20, 19-31)
Die Erscheinung Jesu vor allen Jüngern am Osterabend
19 Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden bei verschlossenen Türen beisammen waren, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! 20 Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen. 21 Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. 22 Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! 23 Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten.
Eine weitere Erscheinung Jesu und der Glaube des Thomas
24 Thomas, der Didymus genannt wurde, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. 25 Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht. 26 Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder drinnen versammelt und Thomas war dabei. Da kam Jesus bei verschlossenen Türen, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch! 27 Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger hierher aus und sieh meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! 28 Thomas antwortete und sagte zu ihm: Mein Herr und mein Gott! 29 Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.
Mit Ausnahme der aktuellen Bezüge gebe ich im Folgenden die Gedanken des in der letzten Woche verstorbenen Theologen Hans Küng aus seinem Buch CREDO, das Apostolische Glaubensbekenntnis- Zeitgenossen erklärt, München 1992, (S.165-168 & 192- 198) wieder. |
Er sei bereit, seinen Anteil für das Versagen des Systems zu tragen, sagt der Hamburger Erzbischof Heße. Das am 18. März 2021 veröffentlichte Gutachten zur sexualisierten Gewalt an Kindern im Erzbistum Köln wirft ihm elf Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Aufarbeitung dieser Straftaten vor. Jedoch, was im Gewand des leidenden Gottesknechtes daherkommt, ist die Weigerung, persönliche Schuld anzuerkennen. Es trägt nicht persönlich, sondern für „das Versagen des Systems“ Verantwortung. Ähnlich Kardinal Wölki. Er kann getrost sagen, dass ihm rechtlich nichts vorzuwerfen sei. Als Geheimsekretär des Erzbischofs Meisner und später als Weihbischof sei er kein Entscheidungsträger gewesen. Von vielen Seiten wird jedoch angezweifelt, ob er in diesen Positionen tatsächlich „nichts geahnt, nichts geahnt, nichts geahnt“ habe. („Nichts geahnt…“ War die Antwort von Kardinal Meisner 2015 in einem Interview zum Bekanntwerden der Fälle von sexualisierter Gewalt an Kindern. Heute wissen wir, dass er eine persönliche Akte zu den Vorkommnissen geführt hat. Sie trägt den Titel „Brüder im Nebel“) Aber Mitwisserschaft ist ja kein Pflichtverstoß, für den er zur Verantwortung zu ziehen ist.
„Keinem Menschen … bleiben die Erfahrungen von Ohnmacht, Versagen und Schuld erspart“ (Hans Küng)
In seinem Buch „Credo“, eine Erklärung des Glaubensbekenntnisses für „Zeitgenossen“, stellt der verstorbene Theologe Hans Küng zum Bekenntnissatz „Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden …“ fest, dass es heute nicht nur eine Tendenz gibt, Schuld zu verdrängen und sie auf das juristisch Bewiesene zu reduzieren, sondern dass es auch eine „… soziale, geschichtliche, strukturelle und ökologische Dimension von Schuld“ gibt (Küng, Credo). „Keinem Menschen … bleiben die Erfahrungen von Ohnmacht, Versagen und Schuld erspart“ (ebd.). Allzu oft aber würde das verdrängt. Der Kirche macht er zum Vorwurf, dass sie bei den Menschen Schuldgefühle erzeugt habe. Etwa im Bereich von Sexualität.
Wie aber war es am Anfang? Wie ist Jesus mit Schuld und Versagen der Menschen umgegangen, und welchen Auftrag hat er der Gemeinschaft seiner Jüngerinnen und Jünger hinterlassen?
Vergebung, Sand, Sommer, Senden, Strand, SchreibenEines der ersten Worte, die uns von Jesus überliefert sind, ist die Aufforderung zur radikalen Umkehr: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15) Jesus geht es nicht darum, Schuldgefühle zu erwecken, die uns klein halten und Angst machen. Er fordert zu einem neuen Lebensweg auf. Entgegengesetzt zu den Wegen, die uns voneinander und von Gott trennen. „Nicht um den angeblich beleidigten Gott und sein Gesetz geht es Jesus, sondern um den schuldig und unglücklich gewordenen Menschen, den er nicht verurteilen und bestrafen, sondern befreien und neu in die Gemeinschaft integrieren will.“ (Küng) Jesus sitzt mit Sündern zu Tisch, heilt Kranke und sagt damit, dass ihr Leiden nicht Strafe für Vergehen ist. Mehr noch, er nimmt für sich in Anspruch, was nach jüdischem Glauben nur Gott zu kommt. „Wer kann Sünden vergeben als Gott allein?“ (Mk 2,7)
Das Evangelium ist eine befreiende und deshalb frohmachende Botschaft. Das Glaubensbekenntnis hält sich folgerichtig nicht mit Strafe und Gericht auf, sondern stellt fest, dass es die Möglichkeit der Sündenvergebung gibt. „Ich glaube … an die Vergebung der Sünden“, d. h. ich glaube, dass Gott mir immer wieder einen neuen Anfang schenkt.
„Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten.“ (Joh 20, 21,23)
Die Frohe Botschaft, dass die Vergebung der Sünden möglich ist, soll von den Jüngerinnen und Jüngern in die Welt hineingetragen und an die Menschen weitergegeben werden. Dazu bleiben sie mit dem Auferstandenen und seinem Evangelium in lebendiger Verbundenheit. „Empfangt den Heiligen Geist.“ (Joh 20,21) „mit Geist ist die persönliche Nähe Gottes selber zu den Menschen gemeint, so wenig abzutrennen von Gott wie der Sonnenstrahl von der Sonne“ (Küng)
Die Beichte ist dabei nur eine Form der Sündenvergebung. Durch die Engführung auf Schuld, Reue und Bußwerke ist sie für viele Menschen heute keine Möglichkeit mehr. Im Leben der Gemeinde geschieht die Vergebung der Sünden, wo ich mit offenem Herzen das Evangelium höre, in der Lossprechung im Gottesdienst, natürlich auch in der Beichte durch den Priester und vor allem dort, wo jeder und jede Einzelne untereinander vergibt. Spätestens hier merken wir, dass das mit dem „Verzeihen der Sünden“ nicht so einfach und schon gar nicht natürlich ist. Was ist, wenn mir ein großes Unrecht widerfahren ist, wenn ich durch die Tat eines Anderen Schaden erlitten habe? Wie sieht es aus bei Mord und Totschlag? Was ist mit dem grauenvollen Völkermord während der Schoah, der Verfolgung und dem millionenfachen Mord an jüdischen Kindern, Frauen und Männern. Zur Erinnerung an dieses Verbrechen gibt es in Israel am Jahrestag des Aufstandes im Warschauer Getto ein Gedenken. Noch am letzten Donnerstag heulten in Israel zwei Minuten lang die Sirenen. Eine ganze Nation hält an und verharrten in stillem Gedenken. Kann man, soll man ein solches Verbrechen vergeben?
Kann man von den Kindern, denen Gewalt angetan worden ist, verlangen, dass sie ihren Peinigern vergeben?
Versöhnung ist lebensnotwendig. Denn was würde es bedeuten, wenn es „keine Versöhnung zwischen Mensch und Mensch, Volk und Volk gibt, dass es nur das Ertragen einer Schuld gibt – bis an das Ende der Welt.“? (Küng) Schuld und Sünder zu verdrängen ist genauso wenig ein Weg, wie unversöhnlich zu bleiben. Für beide - die Täter und die Opfer - wäre es ein Gift.
Ein beeindruckendes Beispiel von Sündenvergebung und Versöhnung ist für mich die „Wahrheits- und Versöhnungskommission“ die in Südafrika nach dem Ende des Apartheitsregimes gegründet worden ist. Unter dem Vorsitz von Nelson Mandela und Erzbischof Tuto sollten die Verbrechen gegen Schwarze aufgearbeitet werden. Das Grundprinzip lautete: Du sagst die Wahrheit, wir sagen dir – sofern es kein strafrechtliches Verbrechen war – Amnestie zu.
„Die Wahrheit schmerzt - aber Schweigen tötet" Die Wahrheit schmerzt für beide, sowohl für die Opfer als auch für die Täter. Die Opfer haben ein Recht auf die Wahrheit. Wenn es einen Raum gibt, wo ich die Wahrheit sagen kann mit der Hoffnung auf Vergebung, kann ich zur ganzen Wahrheit stehen. So ist die Wahrheit auch ein Ausdruck meiner Hoffnung, dass es ein Verzeihen gibt und Vergebung möglich ist.
Zum Thema sexualisierter Gewalt gegen Kinder durch Priester wäre es doch ein eindrucksvolles Zeugnis des Glaubens gewesen, wenn die Hierarchen offen zur Wahrheit und zu ihrer Hoffnung auf Vergebung gestanden hätten.
„Die Wahrheit schmerzt - aber Schweigen tötet"
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